Wir schreiben das Jahr 2022 und es ist Krieg in Europa!
In unserer Jugend sah man hin und wieder Aufkleber mit folgendem Inhalt auf dem einen oder anderen Auto:
"Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin"
So sind wir wohlbehütet und ohne Krieg Jahrzehnte lang aufgewachsen und haben uns dieses Szenario gar nicht vorstellen müssen. Und manch einer wacht vielleicht jetzt erst auf und realisiert, auf welchem Wohlstand und welchen Freiheitsrechten wir in unserem demokratischen System gebettet sind. Dieses System gilt es zu schützen und alle Länder, die danach streben, sind zu unterstützen.
Wir ziehen auch weiterhin nicht in den Krieg und das ist gut so. Aber wir unterstützen die Ukraine, die Ende Februar 2022 von Russland angegriffen wurde. Unter Nichtbeachtung des humanitären Völkerrechts wurde vor Ort eine humanitäre Katastrophe ausgelöst und führte zu einer schnell wachsenden Fluchtwelle. Es ist ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Krieg muss sofort gestoppt werden.
Seit vergangenen Freitag, 11.03.2022 sind wir über private Kontakte mit einer Tübinger Ärztin mit ungarischen Wurzeln im Gespräch. Sie fährt diese Woche nach Budapest und hat Verbindungen zu einer ökumenischen Hilfsorganisation, die in Budapest aus der Ukraine ankommende Flüchtlinge betreut. Noch am selben Wochenende haben wir einen Aufruf im Freundeskreis gestartet.
Unser Ziel: Mit einem mit Hilfsmitteln vollgepackten Reisebus nach Budapest/Ungarn und mit ukrainischen Flüchtlingen wieder zurück nach Tübingen zu fahren.
Montag, 14.03.2022:
Bereits am Montagabend wurde der Bus mit den Spenden beladen und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir sind überwältigt und gerührt von Ihrer/Eurer unendlich großen Spendenbereitschaft und den vielen helfenden Händen. VIELEN DANK!
Unser Bus ist voll!!! Bitte bringen Sie vorerst keine Spenden mehr.
Wir starten am Mittwoch nach Budapest und werden dort am Abend von Mitarbeitern der Caritas und ehrenamtlichen Helfern erwartet.
Die ungarisch-Tübinger Ärztin Kriszta Molnár, Kinderärztin am UKT, wird vor Ort gemeinsam mit unseren Fahrern und freiwilligen Helfern alles organisieren. Wir sind überzeugt, dass alles, was Sie gegeben haben, dort ankommen wird, wo es so dringend gebraucht wird.
Dienstag, 15.03.2022:
Unser Fahrer haben heute ihren Ruhetag und packen ihre privaten Sachen. Die Länder Österreich und Ungarn haben uns von der Busmaut befreit.
Unsere Werkstatt hat den Bus einem letzten Check unterzogen. Die Papiere für unsere Fahrer, Franz und Sergej, sind vorbereitet, die Hotelzimmer in Budapest sind gebucht.
Nicht unerwähnt lassen wollen wir, weil man daran im ersten Moment gar nicht denkt, dass wir für die ukrainischen Flüchtlinge, die mit uns zurückreisen, ein kleines Welcome-Paket mitgegeben haben, bestehend u.a. aus Kleingeld für die Autobahntoiletten, Maske, Hygienegel und Taschentücher.
Gespendet und organisiert von Regine, verpackt von unseren jüngsten Helfern Jo, Emilia und Mattis.
Vielen Dank für die Idee und Unterstützung.
Mittwoch, 16.03.2022:
Unsere Chauffeure mit Begleiter Jannick sind heute Morgen pünktlich um 06.00 Uhr gestartet. Auf der A8 vorbei an München und Salzburg bis zum Mondsee zur ersten Vesperpause.
Die Fahrt verlief weiterhin problemlos, Ankunft in Budapest am Lager von Caritas war gegen 18.45 Uhr. Dort warteten bereits 10 Freiwillige, die beim Ausladen geholfen haben. Alles wurde nochmals sortiert und in einen Lastwagen umgeladen: Hygiene- und Babyartikel, Lebensmittel, Decken, Schlafsäcke usw.
In der Mitte des Gruppenbildes steht Pfarrer Gàbor Écsy (dunkle Kleidung), Direktor der ungarischen Caritas, der die Spenden in die Ukraine fährt. Er hat dort schon vor dem Krieg humanitäre Hilfe geleistet und ist vor Ort gut vernetzt. Gàbor hat Kriszta berichtet, dass sich im Westen der Ukraine mittlerweile viele Flüchtlinge aufhalten, denen es an allem fehlt. Mit unseren Spenden kann nun schnell im Krisengebiet unterstützt werden. Ärzten wird er die gespendeten Medikamente übergeben.
Daniel Tolonics (rote Jacke) hat mit Kriszta zusammen dieses Projekt ins Leben gerufen und organisiert. Der erste Teil unserer Aktion ist somit erfolgreich beendet.
Am Abend mussten unsere Fahrer noch den Dieseltank befüllen, damit die durchgehende Heimfahrt am nächsten Tag gewährleistet ist. Dem voraus ging jedoch eine halbstündige Verhandlung mit einem jungen Tankwart, der die Menge auf ein bestimmtes Limit rationieren wollte. Schlussendlich hat es geklappt und auch die Fahrer haben noch etwas zu essen bekommen, wenn auch auf Umwegen, da es im Hotel nichts mehr zu essen gab.
Wir sind gespannt, wie der morgige Tag verläuft und wie viele Flüchtlinge wir im Bus aufnehmen können.
Donnerstag, 17.03.2022:
Nach einem reichhaltigen Frühstück sind unsere Fahrer samt Begleiter Jannick um 08:30 Uhr am Ostbahnhof angekommen, wo sie von Kriszta bereits erwartet wurden. Die Kommunikation hat unser russisch sprechender Fahrer Sergej übernommen und bis gegen 10:30 Uhr waren etwas mehr als 40 Flüchtlinge an Bord. Kurz vor 11 Uhr ist der Bus von Budapest Richtung Deutschland abgefahren. Ein Teil der Flüchtlinge wird in München aussteigen, die anderen fahren mit bis nach Tübingen.
Unterwegs gab es ein Vesper in Form von Landjägern, Saiten und frischem Brot, gespendet von unseren Metzgereien und Bäckereien. Die Kinder wurden zusätzlich mit Knabbersachen versorgt.
Die Rückfahrt verläuft weiterhin ohne größere Probleme, es gibt jedoch ein paar kleinere medizinische Zwischenfälle. Um die kümmert sich unser Begleiter Jannick, Medizinstudent, während er parallel versucht, eine Unterkunft für eine fünfköpfige Familie zu finden, deren einjähriges Kind aufgrund des fast 3-wöchigen Bunkeraufenthalts etwas angeschlagen ist. Wir drücken von hier aus die Daumen und wünschen gute Besserung.
Beim Zwischenstopp in München sind 18 Personen ausgestiegen, das Kleinkind musste leider doch noch umgehend in die Klinik.
Gegen 01:30 Uhr ist unser Bus schlussendlich in Tübingen an der Kreissporthalle angekommen. 17 Personen konnten dort untergebracht werden.
Einer 6-köpfigen Familie mit zwei Katzen konnte Dank privater Unterstützung eine leerstehende 3-Zimmer-Wohnung zur Verfügung gestellt werden. Diese Wohnung wurde innerhalb eines Tages möbliert, der Kühlschrank gefüllt und um 2.00 Uhr in der Nacht bezogen.
Wir hoffen, dass alle Flüchtlinge in Tübingen zur Ruhe kommen können und sich hier bald ein bisschen heimisch fühlen.
HERZLICHEN DANK für die zahlreichen und äußerst großzügigen Geld- und Sachspenden. Danke an alle Freunde und Bekannte, Vereine und Institutionen, die uns bei dieser Hilfsaktion unterstützt haben.
Für besondere Unterstützung danken wir:
Metzgerei Raiser in Lustnau, Meisterbäckerei Padeffke, Metzgerei Wiech in Rottenburg, Firma Brennenstuhl in Pfrondorf, Das Netz e.V. in Pfrondorf, Metzgerei Zeeb in Reutlingen, Bäckerei Bayer in Mittelstadt, Kaufland Rottenburg, Helle Werbetechnik.
Großer Dank und Respekt gilt auch der Organisation "Migration Aid" in Budapest, die sich um die direkt aus der Ukraine kommenden Flüchtlinge kümmert, ihnen Erstversorgung anbietet und sich auch um deren weitere Verteilung in sichere Unterkünfte kümmert.
Man hofft jeden Morgen, beim Blick in die Medien, dass der Wahnsinn über Nacht aufgehört hat und Verhandlungen zu einem schnellen Ende des Krieges führen. Aber selbst während der teilweise stattfindenden Verhandlungen fallen weiterhin Bomben auf unschuldige Zivilisten und zerstören das Land. Wie lange denn noch?
Unser großer Wunsch: das bald keiner mehr hin geht... in den Krieg! Und dass wir unsere eigene Geschichte und die aktuellen Geschehnisse nie vergessen werden.
Es steht nun fest: unsere 2. Fahrt findet statt und zwar am kommenden Wochenende!
Von Samstag, 26.03. bis Sonntag, 27.03.2022 fahren wir wieder nach Budapest. Unser Bus ist mit weiteren Hilfsgütern annähernd voll und die Planungen sind noch in vollem Gange. Erfreulicherweise hat uns der Landkreis Tübingen zugesagt, dass nochmals rund 45 Flüchtlinge untergebracht werden können.
Pünktlich um 08.00 Uhr war Start zu unserer zweiten Tour nach Budapest. Dieses Mal mit dem Fahrerteam Reinold und Alexander sowie unserem Medizinstudenten Jannick, der uns schon auf der ersten Tour hervorragend unterstützte. Genügend Verpflegung für die Rückfahrt war ebenfalls wieder dabei.
Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und das Ausladen der Hilfsgüter in Budapest ging, Dank der vielen Helfer, schnell über die Bühne.
Am Sonntag ist unser Bus um 06.00 Uhr in Budapest mit 26 glücklichen Personen, darunter 9 Kinder, losgefahren. Ankunft in Tübingen war gegen 18.00 Uhr.
Die Nachrichten lassen uns keine Ruhe... Die Not ist nicht kleiner geworden.
Wir machen uns noch einmal auf den Weg nach Budapest
- gemeinsam mit der Geschwister-Scholl-Schule Tübingen.
Am Donnerstag, 28. April von 17.00 bis 19.00 Uhr ist wieder große Sammelaktion. Haltbare Lebensmittel, Hygieneartikel, Decken und Schlafsäcke (keine Kleidung) können zum Betriebshof Kocher gebracht werden. Schüler*innen und Lehrer*innen werden vor Ort die Spenden entgegennehmen und den Bus packen. Wir wollen Pastor Gábor und seinem Team der Caritas wieder viele Tonnen des Allernötigsten bringen.
Viele helfende Hände haben gestern zugepackt. Alle Spenden wurden sortiert, verpackt, auf ukrainisch beschriftet und ordentlich im Bus verstaut.
Toll was die Schüler, Eltern und Lehrer der GSS gemeinsam auf die Beine stellen.
Eine 9-Klässlerin entwarf gemeinsam mit ihrer Kunstlehrerin ein GSS-Ukraine-Logo und schmückt jetzt den Bus.
Alle hatten Spaß dabei, aber vor allem das Gefühl etwas Gutes und Sinnvolles zu tun.
Seht selbst!
Am Samstag werden sich unsere Fahrer Sergej und Wolfram unterstütz von Lehrerinnen und ehemaligen Schülern der GSS, die jetzt Medizin studieren, auf den Weg nach Budapest machen. Kriszta Molnar, die Kinderärztin des UKT, wird bis dahin mit Caritas und Migration Aid alles organisiert haben. Natürlich soll unser Bus nicht leer zurück fahren, wir hoffen, dass wir mit Hilfe von Migration Aid wieder einige Ukrainer*innen nach Tübingen oder Reutlingen bringen werden, die sich hoffentlich bei uns bald wohlfühlen können.
Die Suche nach Unterkünften gestaltet sich schwierig. Die Erstaufnahmestellen in Tübingen, Reutlingen und Rottweil sind belegt. Die Hoffnung, dass sich kurzfrsitig noch Kapazitäten ergeben, zerschlagen sich am Freitag und Samstag endgültig. Aber auch bei Geflüchteten in Budapest scheint das Interesse nach Süddeutschland zu kommen, abzunehmen. Vermutlich liegt es an den Entwicklungen des Kriegsverlaufs der letzten Tage. Die Ukrainier hoffen bald zumindest in die westlichen Gebiete zurückkehren zu können und da bleibt man vielleicht lieber in Grenznähe. Dass diese "Reise" nicht planbar sein würde, war allen Beteiligten immer klar, aber davon lassen wir uns nicht abhalten - unsere Sachspenden werden große Not im westlichen Teil der Ukraine lindern. Außerdem bieten wir Migration Aid an, auch Geflüchtete, die lediglich einen Transfer nach München oder Stuttgart suchen, mitzunehmen.
Am Samstag um 4.30 Uhr ist Abfahrt - das Team bestehend aus den Fahrern Sergej Buss und Wolfram Kirschfeld, den Lehrerinnen Kerstin Elsner-Mann und Franziska Höhne und den ehemaligen GSS-Schülern und jetzigen Medizinstudenten Nico Wessner und Laurenz Krimmel ist sehr gespannt, was Sie erwartet.
Pünktlich wird das Caritas Lager in Budapest erreicht, dort werden die Spenden gemeinsam mit örtlichen Helfern umgeladen, so dass Sie schnellstmöglich in die Ukraine transportiert werden können.
Da alles zügig und reibungslos abläuft, bleibt noch Zeit im Auffanglager in Budapest vorbeizuschauen und alles für den nächsten Morgen zu besprechen.
Die umfunktionierte Messehalle ist streng bewacht und Migration Aid scheint hier gute Arbeit zu leisten. Für die Fahrt nach Tübingen sind bisher fünf Personen angemeldet, außerdem werden aus der Ukraine gefüchtete Familienmitglieder von Sergej, die es rechtzeitig nach Budapest geschafft haben, mit nach Tübingen kommen.
Über Nacht kommen in der Flüchtlingsunterkunft weitere Schutzsuchende an. 5 weitere Personen möchten nach München. Unser Team ist nun mit 12 Menschen in Richtung Deutschland unterwegs. Es scheint allen gut zu gehen - wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt und ein gutes Ankommen, wo auch immer sie sich vorerst niederlassen und hoffen, dass dieser Albtraum bald ein Ende nimmt und alle wieder dort leben können, wo sie zu Hause sind.
Vielen Dank allen, die uns in den letzten Wochen bei unserer Busbrücke unterstützt haben. Es war schön, zu sehen was wir gemeinsam schaffen können.
Ein letzter Appell an alle, die über leerstehenden Wohnraum verfügen - gebt euch einen Ruck, stellt ihn zur Verfügung, spinnt ein Netz mit Nachbarn & Freunden - Geflüchteten eine vorübergehende Heimat zu geben, ist sicherlich nicht mit einem Mietvertrag erledigt, aber es sind so viele bereit zu unterstützen - gemeinsam kann man es schaffen!
Sonja & Jan Kocher